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Geschwollene Beine

Haben Sie sich schon einmal gefragt, warum Ihre Knöchel dick werden, während die Beine bei anderen unter denselben Bedingungen rank und schlank bleiben? Oft sind es verborgene Ursachen, die den Lymphfluss zum Stocken bringen. Werden sie beseitigt, verschwinden auch die Ödeme.

Dicke Füße und schwere Beine nach langem Stehen oder in der Sommerhitze: Wenn die ­Waden spannen und Knöchel, Knie und Oberschenkel immer unförmiger werden, ist das nicht nur ein kosmetisches Problem. Es kann mitunter auch recht schmerzhaft sein. In ­solchen Fällen werden meist Kompressionsstrümpfe und Massagen oder Lymphdrainagen ver­ordnet. Das lindert zwar die Beschwerden, löst das Problem aber nicht dauerhaft, da die Frage nach dem eigentlichen Grund des Lymphstaus unbeantwortet bleibt. Der Pforzheimer Arzt Peter Emmrich behandelt Ödeme, ­indem er ihre verborgenen Ursachen aufspürt und angeht – mit Erfolg. Mal ist es ein Selenmangel, der dazu führt, dass die Lymphe im Gewebe regelrecht stehenbleibt, mal sind es Übergewicht und versteckte Entzündungen, die den Stoffwechsel überfordern, mal bremst ein gestörter Säure-Basen-Haushalt den Lymphfluss. Was dann zu tun ist, erfahren Sie hier.

Fallbeispiel 1: Lymphödem

Eine Frau mittleren Alters kam spät am Tag in meine Praxis. Sie klagte über müde und schwere Beine und zeigte mir ihren linken Fuß, der oberhalb des Knöchels leicht geschwollen war. Das sei fast jeden Abend so, erklärte sie und vermutete, dass dies mit ihrem Stehberuf als Fachverkäuferin zusammenhängen könnte. Am Wochenende oder im Urlaub habe sie die Beschwerden nämlich nicht. Nun wollte sie wissen, was sie dagegen tun könne. Ein Schulmediziner habe ihr das Tragen von Kompressionsstrümpfen empfohlen. Das helfe zwar, sei aber im Sommer doch recht unangenehm.

Mein Verdacht: Die Patientin hat ein Lymphödem, das typischerweise bei Frauen aus Berufsgruppen auftritt, die lange stehen müssen. Das Lymphsystem wird nämlich nicht etwa durch eine zentrale Pumpe angetrieben, sondern durch Muskelaktivität beim Gehen stimuliert. Diese sorgt dafür, dass die Lymphflüssigkeit aus dem Gewebe angesaugt und Richtung Herz transportiert wird. Zu einem Lymphstau samt Schwellungen an einem Bein oder auch an beiden kommt es, wenn dieser Abfluss gestört ist und sich Flüssigkeit im Gewebe ansammelt. Die medizinischen Kompressionsstrümpfe wirken zwar einem solchen „Voll­laufen“ des Ödems durch die Schwerkraft entgegen – die eigentliche Ursache beseitigen sie aber nicht. Denn es ist nicht nur die fehlende Bewegung, die den Abfluss der Lymphe erschwert. Häufig steckt auch ein Selenmangel hinter den Beschwerden. So war es auch bei dieser 44-jährigen Patientin: eine Blutanalyse zeigte ein Defizit des wichtigen Spurenelements. Das ist hierzulande gar nicht so selten, denn in Mitteleuropa ist der Selengehalt im Boden generell sehr niedrig. Dadurch können Pflanzen nur wenig von diesem Spurenelement aufnehmen. Fleisch und Eier sind eine zuverlässigere Selenquelle (siehe Kasten rechts) – beides verzehrte die vegetarisch lebende Verkäuferin aber nicht.

Mein Behandlungsansatz: Ich verordnete der Patientin hochdosiertes Selen, 200 µg morgens und abends (zum Beispiel Cefasel 200 nutri von Cefak, Basis-Selen 200 von Synomed oder Kombi-5 von Kyberg). Selen ist Bestandteil von Enzymen, die den Körper vor Zellschädigungen durch hochreaktive Radikale schützen. Ein Selenmangel kann deshalb zu verschiedenen Krankheitsbildern führen, an denen diese sehr aggressiven chemischen Sauerstoffmoleküle beteiligt sind. Krebs und Schilddrüsenerkrankungen gehören dazu, Rheumatismus, Arteriosklerose und Infektanfälligkeit, alle chronischen Darmentzündungen, degenerative Nervenerkrankungen wie Multiple Sklerose (MS) und Alzheimer sowie – wie bei meiner Patientin – Lymphödeme. Denn die für die Entgiftung der Körperzellen besonders wichtige Glutathion-Per­oxidase braucht Selen, um zu funktionieren. Ist zu wenig von dem Spurenelement vorhanden, fließt die Lymphe im Gewebe nicht mehr. Durch die Selengaben gelang es, den Zellstoffwechsel und damit die Zellregulation zu stärken. Sobald der Körper anfing zu regulieren, ging die Symptomatik der dicken Beine zurück.

Wichtig bei der Wahl eines Selenprodukts: Achten Sie darauf, nur anorganisches Selen wie Natriumselenit als Nahrungsergänzungsmittel einzusetzen. Organische Selenverbindungen werden im menschlichen Organismus nämlich anders verstoffwechselt als anorganische. Häuft sich organisches Selen wie Selenomethionin oder Selenhefe im Blut und in den Geweben an, kann das zu Vergiftungs­erscheinungen und unerwünschten Nebenwirkungen führen. Bei anorganischem Selen geschieht dies nicht. Es kann also nicht überdosiert werden. Selbst bei einer täglichen Einnahme von 1200 µg Natriumselenit über Wochen hinweg sind keine Nebenwirkungen bekannt.

Selenreiche Lebensmittel

>> Paranüsse in Bioqualität haben einen besonders hohen Selengehalt. Schon drei pro Tag reichen theoretisch für die Grundversorgung aus. Allerdings lagert sich in Paranüssen auch radioaktives Radium an. Mehr als zwei der tropischen Nüsse täglich sollten Sie deshalb nicht verzehren.

>> Unter den Gemüsen punkten Kohl, Zwiebeln, Knoblauch, Pilze, Spargel und Hülsenfrüchte wie Linsen mit einem hohen Selengehalt. Da er aber von der Selenmenge im Boden abhängt, variiert er je nach Anbaugebiet stark. Getreideprodukte aus den USA sind eine gute Selenquelle, da die Böden dort sehr selenhaltig sind. Achten Sie dabei unbedingt auf Bioprodukte.

>> Fleisch und Eier können relativ konstant zur Selenversorgung beitragen, seit in der Europäischen Union das Tierfutter mit Selen angereichert wird. In Deutschland gibt es seit 1987 eine Futtermittelverordnung, die dies regelt.

Lesen Sie mehr darüber in Ausgabe 4/2022 von natürlich gesund und munter.

Foto: Jana Sabeth / unsplash