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Alleskönner Algen

Sie sind Überlebenskünstler im Wasserreich und haben überraschend gesunde Eigenschaften. Von denen können wir Menschen künftig noch stärker profitieren – in der Ernährung, in der Medizin und auch in der Kosmetikherstellung.

Die Tiefen von Meeren, Flüssen und Tümpeln bergen so manche Geheimnisse. Wasserpflanzen schlingern weich in wogenden Strömungen, darunter ungezählte Algenarten. Sie waren die ersten pflanzlichen Bewohner unseres Planeten und maßgeblich an der Entstehung der Atmosphäre beteiligt, denn sie produzieren 50 bis 70 Prozent des Sauerstoffs. Ohne sie kein Leben auf der Erde. Zudem weisen Algen im Pflanzenreich die höchste Dichte an Nährstoffen auf und bilden die Basis der Nahrungskette aller Meeres­bewohner. Doch nicht nur für Lebewesen im Meer sind ihre Inhaltsstoffe bedeutungsvoll. Auch wir Menschen können uns immer mehr von den vielseitigen Wirkungen dieser geheimnisvollen Pflanzen zunutze machen.

Vor allem der Aspekt, dass ihr Leben unter extremen Bedingungen stattfindet, macht Algen für Medizin, Ernährung und Kosmetik hochinteressant: schwankende Salzkonzentration, intensive Sonneneinstrahlung, lange Trockenheitsphasen und große Temperaturschwankungen – diese herausfordernden Umwelteinflüsse kompensieren Algen mit speziellen biochemischen Mechanismen, die auch die Pharmaindustrie verstärkt nutzen möchte. In Europa werden Makroalgen nicht nur an atlantischen Felsenküsten gesammelt und verwertet. Sie werden auch in Farmen auf Substraten im Meer vermehrt oder in Becken kultiviert. Auch Mikroalgen werden in speziellen Behältern gezüchtet. Damit wird sichergestellt, dass sie nicht mit Schadstoffen und Mikroplastik aus den Gewässern belastet sind.

Ungeheure Vielfalt

Wissenschaftler gehen davon aus, dass es mehr als 400 000 Algenarten auf der Welt gibt, doch nur etwa 20 000 davon sind bis heute bekannt. Und von diesen sind bisher lediglich 800 Arten richtig erforscht. Die größeren Exemplare, die Makroalgen, kommen hauptsächlich im Meer vor. Als riesiger Seetang werden sie mehr als 60 Meter lang. Andere hingegen sind so klein, dass wir sie mit bloßem Auge gar nicht erkennen können. Süßwasseralgen wie beispielsweise Chlorella zählen zu diesen Mikroalgen. Wegen ihres Chlorophyllgehalts sind Algen grundsätzlich grün, auch wenn bei manchen zusätzliche Farbpigmente das Blattgrün überlagern und sie rötlich, bräunlich oder bläulich färben.

>> Braunalgen wie der Kelp sind die größten Vertreter aller Algen. Die meist blattartigen oder fädigen Seetange findet man an den Küsten gemäßigter und kalter Meere, vor allem im Nordatlantik und in der Ostsee. In der Gezeitenzone und im vorgelagerten Flachwasserbereich bilden sie ausgedehnte Wälder. Braunalgen sind ein wichtiger Bestandteil der Naturkosmetik, vor allem in der Thalasso-Therapie, da sie entschlackend wirken. Auch in der modernen Küche hat die Braun­alge ihren festen Platz.

>> Rotalgen sind ebenfalls Seetange. Sie wachsen in Küstennähe und halten sich an Gesteinen und anderen Oberflächen fest. Aus ihren Zellwandbausteinen wird unter anderem das Bindemittel Agar-Agar gewonnen. Hierzulande sehr bekannt ist Nori, die Ummantelung für Sushi-Röllchen.

>> Grünalgen kommen meist in Süßwassergewässern wie Tümpeln, Flüssen und Seen vor, seltener im Küstenbereich der Meere. Unter den formen- und artenreichen Grünalgen gibt es zahlreiche einzellige, aber auch viele höher organisierte Vertreter. Sie alle enthalten Chlorophyll a und b, Beta-Carotin und als Speicherkohlehydrat Stärke. Zwar gelten allzu viele Grünalgen, die sich bei Sommerhitze in Gartenteichen bilden, als Plage. Aber einige Arten werden in großen Produktionsanlagen gezüchtet, um wertvolle Inhaltsstoffe zu gewinnen. So zum Beispiel Astaxanthin, ein Carotinoid mit großer antioxidativer und entzündungshemmender Wirkung.

>> Mikroalgen sind Einzeller und stellen hauptsächlich das Phytoplankton in Süß- und Salzwasser. Chlorella und Spirulina sind Süßwasseralgen, Schizochytrium gedeiht im Meer.

Marine Delikatessen

Schon in prähistorischer Zeit wurden Algen von Küstenbewohnern als Lebensmittel genutzt, an der irischen und britischen Nordseeküste sind „Seaweeds“, die Seetange, von großer Bedeutung. Rotalgen werden dort traditionell als Laverbread gegessen. In Japan wird Sushi in getrocknete Blättchen der Rotalge Nori gewickelt und in Form gehalten, während die Braunalge Wakame zu Salat und Miso-Einlage verarbeitet wird. Der vitamin- und eisenreiche Lappentang hingegen steht in Island, Irland und Frankreich auf so mancher Speisekarte und heißt je nach Land Dulse, Dulce oder Söl. Und die Grünalge Ulva, auch Meeressalat genannt, wird vor allem in Nordfrankreich als Delikatesse serviert.

Doch die kalorienarmen Meeresalgen sind weit mehr als eine exklusive Speisezutat. Sie punkten mit einer ganzen Fülle an lebenswichtigen Stoffen und haben das Potenzial, in der zukünftigen Ernährung der Menschheit eine entscheidende Rolle zu spielen. Sie sind vitamin,- ballaststoff- und proteinreich, enthalten Mineralstoffe und viele essenzielle Aminosäuren. Ganz besonders bemerkenswert ist ihr Gehalt an Omega-3-Fettsäuren. Das macht Algen zu einer guten und veganen Alternative zum Fischkonsum. Jedoch enthalten Makroalgen aus dem Meer sehr viel Jod. Kinder und Menschen mit speziellen Gesundheitsproblemen sollten beim Verzehr deshalb vorsichtig sein (siehe Kasten Jodüberdosierung).

Jodüberdosierung

Nur ein paar Gramm Algen zu essen kann schon ausreichen, um die empfohlene Aufnahmemenge deutlich zu überschreiten. Eine verpflichtende Kennzeichnung des Jodgehalts in Algenprodukten gibt es in Deutschland noch nicht. Auf Algen als Lebensmittel und Nahrungsergänzungsmittel verzichten sollten Sie, wenn Sie eine Schilddrüsenerkrankung, eine Herzkrankheit oder eine Niereninsuffizienz haben. Auch wenn Sie ein jod- oder lithiumhaltiges Medikament einnehmen, schwanger sind oder stillen sollten Sie auf Algen und Algenprodukte verzichten.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in Ausgabe 4/2022 von natürlich gesund und munter.

Foto: NatalieJean / shutterstock.com