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Auf Kneipps Spuren durchs Allgäu

Wer von Sebastian Kneipp hört, denkt meist an Wassertherapien. Eine ganzheitliche Kneippkur ist aber viel mehr. Wie umfassend und heilsam diese sein kann, erfährt man am besten in der Heimat des Arztes und heilkundigen Pastors.

Goldgelbe, rote und braune Blätter färben den Boden kunterbunt. So schön das Naturspiel auch ist, es lässt keinen Zweifel: Der Herbst ist da! Wieder einmal scheint der Sommer wie im Fluge vergangen zu sein. Wieder fehlte es an Zeit, faul in der Sonne zu liegen, eigenen Gedanken und Träumen nachzuhängen, mit einem Wort: friedlich ganz und nur bei sich zu sein. Zum Glück lässt sich das an den Kneippkurorten des Allgäus zu jeder Jahreszeit nachholen.

 

Mit allen Sinnen ganz im Hier und Jetzt
Im Mittelpunkt dessen, was Pfarrer Sebastian Kneipp im 19. Jahrhundert in dieser Landschaft entwickelt hat, steht sein Achtsamkeitskonzept, das er als „Innere Ordnung“ bezeichnete.Dieses kombinierte er mit den bekannten Wasseranwendungen und seinem Heilkräuterwissen.

Wer sich mit Steffie Scholz auf die dreistündige Achtsamkeits-Wanderung „Weg der Sinne“ in die grüne Umgebung von Bad Wörishofen begibt, lässt den Stress hinter sich und schaltet ab. Bevor die Entspannungstrainerin ihre Teilnehmer an diesem Nachmittag zu idyllischen Stationen in der Natur entführt, erzählt sie ihnen die Geschichte von einem Mann, den die Leute fragen, warum er so glücklich und zufrieden sei: Er antwortet ihnen: „Wenn ich sitze, dann sitze ich, wenn ich esse, dann esse ich, und wenn ich gehe, dann gehe ich.“ Die Leute entgegnen ihm: „Aber genau das tun wir doch auch.“ Der Mann widerspricht: „Nein, wenn ihr esst, geht ihr schon, und wenn ihr sitzt, dann steht ihr schon.“

 

 

Die Botschaft ist klar: Bei dieser Tour geht es darum, jeden Moment wahrzunehmen, möglichst mit allen Sinnen ganz im Hier und Jetzt zu sein. Mal unterbricht die Trainerin die Wanderung an einem plätschernden Bach, um eine Atemübung zu machen, mal macht sie Rast an einem Eichenhain. Jeder soll sich einen Baum aussuchen, sich daran lehnen, und wer mag, kann ihn auch umarmen. Manche legen spontan ihre Arme um den dicken Stamm. Viele fühlen sich gleich gelöster.

Wenig später hält die Gruppe an einem dicht mit Moos bewachsenen Waldplatz. Trotz herbstlicher Temperaturen ermutigt Steffie Scholz die Mitwanderer, sich die Schuhe auszuziehen. Keiner zögert, denn ihre Füße sind schon Einiges gewohnt. Tags zuvor nämlich sind viele von ihnen, angeleitet von dem medizinischen Bademeister Toni Frenkl, bereits auf dem anderthalb Kilometer langen Barfußweg im Kurpark über spitze Kiesel und Zapfen gelaufen. Das wirkt wie eine Reflexzonenmassage, regt Kreislauf und Immunsystem an. Auf der Achtsamkeitswanderung mit Steffie Scholz soll das „Unten-ohne“-Gehen auch die innere Harmonie fördern. Vermutlich stimmt das. Manche Teilnehmer lächeln jedenfalls versonnen, als sie unter ihren Fußsohlen die dicken, nachgiebigen Moospolster spüren. Am Ende des sinnlichen Parcours erwartet die Waldgänger eine köstliche wärmende Kürbissuppe. Viele schlendern danach zufrieden umher und betrachten selbstvergessen die Natur oder die Kühe hinterm Gatter.

 

Eine wichtige Kneipp-Säule: Die innere Ordnung
Lange bevor Begriffe wie Achtsamkeit und Waldbaden aufkamen, hatte der 1821 in Stephansried bei Ottobeuren als Sohn eines Webers geborene ­Sebastian Kneipp erkannt, dass nach seelischen und geistigen Belastungen das Erleben der Natur neue Kraft spendet und Körper, Geist und Seele wieder in Einklang bringt. Gestresste und erschöpfte Großstädter, die vor rund 150 Jahren zu ihm nach Bad Wörishofen kamen, legte Kneipp deshalb erst einmal in Hängematten, die er zwischen Bäumen aufspannte. Dort sollten sie frische Waldluft einatmen und innerlich zur Ruhe kommen. Neben Wasser, Kräutern, Bewegung und Ernährung ist die „innere Ordnung“ die fünfte Säule des natur­heilkundlichen Kneipp'schen Konzepts – und eigentlich das Herzstück seiner Lehre.­ So sagte Kneipp: „Erst als ich daran ging, Ordnung in die Seelen meiner Patienten zu bringen, hatte ich vollen Erfolg“.

 

Kneippen in Zeiten von Corona
Die Pandemie ist auch an den Kneippkurorten nicht spurlos vorübergegangen. Doch abgesehen davon, dass beim Betreten der Badeabteilung Maskenpflicht herrscht, läuft vieles wie gewohnt: Behandlungen wie Massagen, Güsse, Halb- und Sitzbäder werden in Einzelkabinen, Kräuter- und Wasser-Anwendungen im Zimmer durchgeführt. Nur bei den Kneippbecken wirkt sich die Abstandsregel aus, dort dürfen sich derzeit immer nur zwei Gäste gleichzeitig aufhalten. Wer an geführten Wanderungen teilnehmen möchte, sollte sich rechtzeitig dazu anmelden. Am augenfälligsten sind die Auswirkungen des Virus wohl angesichts der Lücken im Speisesaal und Restaurant.

 

Wege zu Entschleunigung und innerer Balance
In unserer ungeheuer beschleunigten, ausschließlich von einem linearen Zeitverständnis geprägten Welt spielt die Säule „Innere Ordnung“ in der  Kneippkur eine zunehmend wichtige Rolle. Bad Wörishofen und Bad Grönenbach, in denen Kneipp lebte, pflegen seine Naturlehre und geben sie mit Inbrunst weiter. Hier haben die Verantwortlichen die Bedeutung der inneren Balance ebenso verstanden wie im etwas weiter östlich am Alpenrand gelegene Kneippkurort Füssen. Bewusste Bewegung und Achtsamkeit werden deshalb in allen drei Kneippkurorten groß geschrieben.

In Bad Wörishofen, wo Sebastian Kneipp nach seiner Priesterweihe mehr als 40 Jahre lebte, trägt neben der Achtsamkeitswanderung ein Qi-Gong-Kurs zur Entschleunigung bei. Und auf dem fünf Kilometer langen „Glücksweg“ erfreut sich der Wanderer nicht nur an den grünen Wiesen und Weiden, sondern erfährt außerdem viele Anekdoten und Geschichten über den heilkundigen Pfarrer.

Im nur 50 Kilometer entfernten Bad Grönenbach lebte Kneipp als junger Mann immerhin zwei Jahre – und dort brachte ihm ein Botaniker erstmals die Pflanzenheilkunde näher. Gleich mehrere „Glückswege“ führen durch die Hügel der weiten Altmoränenlandschaft, hinter der sich die Alpenkulisse in der Ferne auftürmt. Der Kurpark wartet mit öffentlichen Kneippanlagen auf, Chakrensäulen laden zu Yogaübungen ein.

Auch in Füssen gibt es viele Orte zum Verweilen und Innehalten. Besucher können sich entweder auf dem ­etwas anderen Waldspaziergang oder auf den „Gedankenbänken“ an der Uferpromenade des Hopfensees in Achtsamkeit üben. Eine Anregung zum Sinnieren bieten  die dort angebrachten Zitate des Pfarrers Kneipp. Im wenige Kilometer entfernten kleinen Ortsteil Bad Faulenbach stimuliert der Barfußpfad im „Tal der Sinne“ die Füße (direkt neben der Kneippwiese). Und ein Ruheplatz am Bach zieht jene an, die allein einen stillen Moment für sich erleben wollen.

 

Seelische Unterstützung im Nonnenkloster
All das tut gut und hilft, wieder bei sich anzukommen. Wer zutiefst erschöpft ist und nur noch wenig Lebensfreude spürt, der braucht jedoch mehr und anderes, sucht Geborgenheit, Fürsorge und möglicherweise zusätzlich seelische Unterstützung. Im Hotel „Kur­oase im Kloster“ in Bad Wörishofen ist all dies zu finden.  Dass er für eine gewisse Zeit alles Belastende hinter sich lassen kann, spürt der Gast schon bei der Ankunft, wenn das große schmiedeeiserne Hoteltor hinter ihm ins Schloss fällt. Im schönen Kreuzgang des Innen­hofs, wo Kneipp am Brunnen seine ersten Behandlungen durchführte, findet der Gast ebenso Ruhe wie in der Bibliothek. Wem  ein Problem auf der Seele liegt, kann auf Anfrage das Gespräch mit einer Nonne des Klosters suchen. Für weltlichen Kummer haben die Dominikanerinnen – ebenso wie die Mallersdorfer Schwestern des am Ortsrand gelegenen Franziskanerinnen-Ordens – durchaus ein offenes Ohr und ganz viel Verständnis.

Da einige Schwestern des kleinen Dominikanerinnen-Ordens eine zusätzliche Ausbildung zur medizinischen Bademeisterin absolviert haben, können sie auch Kräuter- und Wasser-Anwendungen anbieten. So sieht man am frühen Morgen eine der Nonnen in manch ein Zimmer huschen, um eine kalte Oberkörperwaschung vorzunehmen oder dem Gast einen heißen Heusack in den verkrampften Nacken zu legen. Beide Anwendungen wirken zutiefst entspannend und lassen die Behandelten danach noch einige Stunden selig weiter schlummern.

 

200 Jahre Kneipp: kuren und feiern
Ob in Bad Wörishofen, in Bad Grönenbach oder Füssen – die Kneippkurorte wollen 2021 das 200-Jahr-Jubiläum des Pfarrers Sebastian Kneipp (1821–1897) gebührend feiern. Festakte, ­Konzerte, Gottesdienste, aber auch Barfuß­wanderungen und Wasserspaß stehen auf dem ­Programm. Ein weiterer Grund für eine Kneippkur im nächsten Jahr! Es empfiehlt sich, bereits jetzt bei der Krankenkasse eine ambulante Vorsorgekur zu beantragen. Wenn sie bewilligt wird, erstatten viele gesetzliche Kassen die Kosten für den Kurarzt und die verordneten Anwendungen. Nur Hotel und Verpflegung müssen Kurgäste selbst zahlen.

 

Informationen:

Gäste-Information im Kurhaus Bad Wörishofen
Tel. 08247/9933-55
info@bad-woerishofen.de
www.bad-woerishofen.de

Achtsamkeitswanderung „Wege der Sinne“
www.steffis-landhof.de

Kur- und Gäste-Information Bad Grönenbach
Tel. 08334/60531
gaesteinfo@bad-groenenbach.de
www.bad-groenenbach.de

Tourismusinformation Füssen
Tel. 08362/9385-0
tourismus@fuessen.de
www.fuessen.de/kneipp-erleben

Diesen Beitrag finden Sie in Ausgabe 6/2020

Fotos: Bad Grönenbach Kur- und Gästeinformation; Myriam Schell; Inge Behrens; Kur- und Tourismusbetrieb Bad Wörishofen