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Die Chance, das Staunen neu zu lernen

Reisen, Kino, Feste, Konzerte – wie haben wir all das vermisst. Zeiten ­fehlender äußerer Anregung können jedoch auch Anlass sein, über unsere Stärken nachzudenken, neue Ideen zu ­entwickeln – und zu entdecken, was uns wirklich interessiert.

Der Mensch scheint ein Mindestmaß an Erregung zu benötigen. Von klein auf suchen wir nach Situationen, die neu sind und viel Information beinhalten“, so Verena Kast, Professorin für Psychologie und Autorin zahlreicher Bücher. Kein Wunder, dass sie mit Besorgnis auf unsere gesellschaftliche Situation schaut. Seit dem Ausbruch der Pandemie und den Maßnahmen zu ihrer Eindämmung hat es nicht nur an Berührung und menschlicher Nähe gefehlt, sondern auch an Anregungen und Erlebnissen. Monatelang haben wir weder in Museen Kunstwerke bestaunen noch in Gemeinschaft Konzerte hören können, von Reisen zu schweigen, auf denen es Neues zu entdecken gäbe. Unsere Neugier ist verkümmert. Dabei ist es doch gerade sie, die immer neue Anstöße und Impulse in uns auslöst. Manchmal springt sie rasch an und ist nicht sonderlich beständig. Manchmal vermag sie aber, uns richtig zu fesseln.

Wenn dies geschieht, wenn wir also beginnen, ein nachhaltiges Interesse zu entwickeln, werde die Verbindung zwischen unserer Innenwelt und der Welt draußen intensiviert, so Kast. Und weil dadurch wiederum die Innenwelt belebt wird, nimmt das Interesse meist weiter zu. Je öfter und intensiver, ja hingebungsvoller wir uns mit einer Sache beschäftigen, desto mehr Befriedigung erfahren wir dabei. Herauszufinden, was tatsächlich die eigenen, die wahren Interessen sind, ist deshalb ganz wesentlich für unser Wohlbefinden und für die Weiterentwicklung unserer Persönlichkeit. Denn Interesse ist eine fundamentale Emotion, davon ist Kast überzeugt. Wer seine wahren Interessen nicht kennt und verfolgt, wird sich selbst schnell fremd und lässt seine individuellen Stärken ungenutzt.

Die Psychologin Andrea Landschof arbeitet als Coach für Transaktionsanalyse und glaubt, dass die Corona­krise zugleich eine Chance biete, herauszufinden, was uns wirklich interessiert. Gerade eine solche Phase der erzwungenen Passivität könne helfen, zwischen den geforderten, oft vorgelebten und beispielsweise von Eltern und vom Partner übernommenen Pseudointeressen und den eigenen wahren Interessen genauer zu unterscheiden. Unzufriedenheit mit der Situation, Langeweile und das Gefühl, dass etwas Wichtiges fehlt, kann ein wichtiger Hinweis sein, dass wir unser wahres Interesse vielleicht noch gar nicht kennen.

Psychologen raten, diese Mangelgefühle nicht sofort abzuwehren, sondern bewusst zuzulassen. Das bietet die Chance, in Kontakt mit etwas zentral Bedeutsamen in unserer Innenwelt zu kommen. Verena Kast schreibt dazu in ihrem neuen Buch „Zugang zur Lebendigkeit“: „Meist haben wir schon nach kurzer Zeit viele verschiedene Einfälle. Es werden solche darunter sein, die nicht zu uns passen (...), es werden aber auch solche da sein, die uns erstaunen und die uns wiederum näher in Kontakt mit uns selbst und auch mit anderen Gefühlen bringen. Wir haben dann Einfälle, die wirklich etwas mit uns zu tun haben.“ So gesehen ist Langeweile ein produktiver Zustand, ein Gefühl, das durchaus fruchtbar wirken kann.

 

Den vollständigen Beitrag finden Sie in Ausgabe 4/2021

Weitere Aspekte in diesem Beitrag:

  • Wie sieht unsere „Freudenbiografie“ aus?
  • Warum Interesse so wesentlich ist
  • Die Charakterstärke „Interesse“ fördern
  • Was uns zum Blühen bringt

 

Foto: sistermic