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Endlich frei von Ängsten leben

Dass wir uns gelegentlich ängstigen, ist völlig normal und sichert unser Überleben. Doch wenn Ängste sich verfestigen und uns selbst in Phasen der Ruhe nicht mehr loslassen, kann sich eine Angststörung entwickeln, die schlimmstenfalls die seelische sowie die physische Gesundheit gefährdet und unbedingt behandlungsbedürftig ist. Doch es gibt einiges, was wir selbst tun können, damit es nicht soweit kommt. Was uns hilft, die Angstflamme auch in Zeiten persönlicher Krisen klein zu halten, wann die Schwelle zu übersteigerter Angst überschritten wird und welche Behandlungen dann geeignet sind, erklären Experten, die sich dieser Thematik besonders widmen.

Ängste entwickeln sich

Kriege und Terror, Klimakatastrophe und Pan­demien – die globalen Krisen dieser Jahre machen vielen Menschen Angst. Zum Glück schaffen es die meisten, in ihrem persönlichen Leben ein Gegen­gewicht zu finden und damit zu verhindern, dass die Angst sie lähmt. Aber bei einer steigenden Zahl von Zeitgenossen entwickeln sich aus alltäglichen Sorgen ernstzunehmende Angststörungen.

Häufig erkennen diese Menschen zunächst gar nicht, was sich in ihnen aufbaut, denn gerade anfangs handelt es sich nur um ein schwaches, diffuses Gefühl. „Es haftet sich an ein harmloses Objekt, und ich fange an, mir darüber Sorgen zu machen“, erinnert sich eine Betroffene an den Beginn ihrer Angstzustände. Sie befürchtete immer öfter, dass ihren Lieben etwas zustoßen könnte, dass ihr Kind beispielsweise auf dem Schulweg in ein Auto gezerrt wird oder ihr Ehepartner verunglückt. „Manchmal hört ein bestimmtes Sorgenthema nicht mehr auf, und es frisst sich immer mehr ein“, das hat auch Professor Michael Kellner beobachtet. Er ist Psychiater und Psychotherapeut an der Münchner Klinik und Poliklinik für Psychiatrie und Psycho­therapie des Klinikums rechts der Isar.

Ist die Angst erst einmal da, können sich die Sorgen und Befürchtungen leicht auf zahlreiche andere Bereiche ausdehnen, etwa auf die gesundheitliche, partnerschaftliche, berufliche oder finanzielle Situation der Betroffenen selbst oder ihnen nahestehender Personen. Oft bedarf es dann nicht mehr viel, damit sie sich wie ein Lauffeuer entfaltet – schon banale Ereignisse nähren nun die Ängste. Ist beispielsweise einmal ein Lebensmittel ausverkauft, haben derart Angstgeplagte Sorge, dass es generell zu Engpässen in der Lebensmittelversorgung kommt.

„Die Sorgen beziehen sich durchaus auf reale Gefahren“, erklärt Professor Kellner. Im Unterschied zu den allermeisten Menschen, die sich schnell wieder beruhigen, wenn sie solche Ängste überkommen, werden bei Angstpatienten die Sorgen durch bestimmte Schlüsselreize immer wieder aufs Neue getriggert. Als Folge stellt sich ein wachsendes Gefühl von ständiger Nervosität, innerer Unruhe und Reizbarkeit ein. Die negativen Bilder und Gedanken stimulieren uralte Hirnareale, die nur unser Überleben wollen, und lösen dieselbe Urangst aus wie einst der Anblick eines Raubtiers. Die Betroffenen befinden sich in ständiger Alarmbereitschaft angesichts vermeintlich lebensbedrohlicher Gefahren und versuchen, diese von sich und ihren Lieben abzuwenden. Die Vernunft hat dann schlichtweg nichts zu melden.

Die Folge: stressbedingte Beschwerden

Weil die Ängste wie der Daueralarm immer auch Stress für das Gehirn bedeuten und den Sympathikus als Teil des vegetativen Nervensystems aktivieren, treten neben seelischen Problemen früher oder später auch unterschiedlichste körperliche Beschwerden auf. „Das Spektrum an Symptomen ist daher sehr bunt, denn immer spielt auch eine vegetative Begleitmusik mit“, weiß Kellner. So können ständige Ängste Herzrasen, hohen Blutdruck und auch Magen-Darm-Beschwerden auslösen.

Zugleich versuchen Angstkranke, die Angst erzeugenden Situationen zu kontrollieren, indem sie alle Unternehmungen, die ihre Sorgen schüren könnten, vermeiden oder untersagen. Die Tochter soll am besten gar nicht mehr mit dem Rad fahren und wird deshab stets mit dem Auto zur Schule gebracht. Reisen werden immer wieder verschoben, weil sie als zu gefährlich eingeschätzt werden. Doch tatsächlich erhält gerade dieses Vermeidungs- und Kontrollverhalten die Angst weiter aufrecht. Die Betroffenen befinden sich innerlich in einem Mahlstrom, einem Strudel, der sie immer tiefer hinunterzieht. Nicht selten entwickelt sich daraus die sogenannte Generalisierte Angststörung, die irgendwann das ganze Leben bestimmt und schlimme Folgen für die seelische und körperliche Gesundheit haben kann. Dann ist eine psychotherapeutische Hilfe dringend geboten. Damit es gar nicht erst soweit kommt, ist es wichtig, eine sich entwickelnde Angstspirale zu erkennen und rechtzeitig gegenzusteuern.

Wann ist die Angst nicht mehr normal?

Trotz aller Warnzeichen und Symptome lässt sich die Trennlinie zwischen übersteigerter und normaler Angst nicht haarscharf ziehen. Wer will und kann bewerten, ob Bürger, die sich nach dem Ausbruch von Corona aus lauter Sorge um ihre Gesundheit nicht mehr aus dem Haus trauten, übertrieben ängstlich reagierten? Schließlich konnten zu Beginn der Pandemie nicht einmal Experten die Gefahr des Covid-19-Virus realistisch einschätzen. „Diese Angst vor der Ungewissheit ist eine Urangst und lässt sich gut mit der Angst des Höhlenmenschen vor gefährlichen Tieren vergleichen“, erklärt der US-amerikanische Psychiater Judson Brewer in seinem Buch „Raus aus der Angstspirale“ (Irisiana Verlag).

Zwar sind solche Ängste unangenehm und beeinträchtigen die Lebensqualität, dennoch sind sie meist noch kein Grund zu wirklicher Sorge. Schließlich, erklärt Professor Kellner, sei es normal, dass eine Pandemie oder Energiekrise Ängste hervorlocke. Dies habe auch einen Anpassungswert, weil Menschen so lernen, sich auf neue Gegebenheiten einzustellen, um ihre Existenz und ihr Überleben längerfristig zu sichern. Fehlgeleitet sei dieser Prozess erst dann, wenn sich die Angst gar nicht mehr zurückdrehen lässt und uns dauerhaft beschäftigt.

Mechanismen der Angst

Dank der neurobiologischen Forschung wissen wir heute genau, welche Hirnareale an der Entstehung von Angst beteiligt sind. Eine entscheidende Rolle spielt dabei das limbische System, zu dem die Amygdala und der Hippocampus zählen. Die Amygdala, auch Mandelkern genannt, funktioniert wie eine Alarmanlage. Bei Gefahr schlägt sie sofort an und informiert umgehend den Hypothalamus. Dieses Hirnareal fungiert im Zwischenhirn quasi als Schaltzentrale. Bevor die Amygdala den Angstreiz speichert, wird dieser vom Präfrontalen Cortex und vom Hippocampus geprüft. Deshalb atmen wir erleichtert auf, wenn wir merken, dass es unser eigener Schatten war, vor dem wir erschrocken sind. Wird der Reiz jedoch als gefährlich eingeschätzt, löst der Hypothalamus den Start einer hormonellen Kaskade aus, welche wiederum die Angst- und Paniksymptome zur Folge hat. Im Unterschied zur unwillkürlichen Reaktion des limbischen Systems kann die bewusste Bewertung einer Situation eine Angstreaktion hemmen oder verstärken.

Nicht jeder ist gleich ängstlich

Wie das passieren kann und wieso Betroffene dann selbst nachts keine Ruhe mehr finden, wissen wir dank der jüngeren Hirnforschung: Negative, sorgenvolle Gedanken lassen bestimmte neuronale Verbindungen im Gehirn wachsen. Je öfter sich jemand Sorgen macht, desto mehr werden sie ausgebaut und desto schneller werden diese neuronalen Strukturen aktiviert. Selbst minimale Reize können dann schon eine unangemessen hohe emotionale Erregung auslösen. Die einst sinnvolle Reiz-Reaktion-Verbindung wird somit dysfunktional. Und „weil das Gehirn in Ruhephasen genauso reagiert, wie es im Wachzustand mehrheitlich denkt, werden Betroffene auch im Schlaf von Ängsten überfallen“, erklärt  der Berliner Heilpraktiker und Autor Klaus Bernhardt, der zahlreiche Patienten mit Angst- und Panikattacken behandelt hat.

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Foto: swissmediavision / iStock.com