string(85) "assets/images/8/laura-chouette-hydrotherapie-heilen-mit-wasser--unsplash-35f80df0.jpg"

Hydrotherapie – Heilen mit Wasser

Ob Kneipp- oder Thalasso-Therapie – die Anwendungen der Wasserheilkunde sind buchstäblich reizvoll. Sie krempeln den Körper komplett um, bringen den Organismus wieder tüchtig auf Trab und machen auch seelisch robuster.

Heilen mit Wasser: Die Wirkung von Temperaturreizen

Bild: CC0 / Elina Fairytale / Pexels

Wir brauchen einfach nur den Hahn aufzudrehen, schon sprudelt es heraus: wohltuendes Wasser. Am frühen Morgen erfrischt uns die kalte Dusche, nach einem stressigen Tag entspannt uns das heiße Bad. Wasser ist aber viel mehr als ein Muntermacher und ein Mittel der Regeneration. Es ist eines der ältesten und wirksamsten Heilmittel überhaupt. Beispielsweise hilft das Inhalieren von Dampf bei Asthma und Bronchitis oder eine nass-kalte Auflage bei Schwellungen.

Warme und kalte Wasserbehandlungen haben erwiesenermaßen enorme therapeutische Wirkung. Die Wasserheilkunde, auch Hydrotherapie genannt, nutzt deshalb gezielt verschiedene Temperaturreize, um körperliche Funktionen und Prozesse anzuregen und somit die Selbstheilungskräfte zu fördern. Diese Reize helfen nicht nur bei bestimmten Beschwerden, sondern stärken immer auch die Körperfunktionen.

Ein kalter Wickel kühlt beispielsweise nicht nur die heiße Wade, sondern senkt die Körpertemperatur und ist somit hilfreich bei Fieber, ganz ohne Nebenwirkungen. Ein warmes Vollbad wiederum kann Schmerzen lindern und beruhigt. Ob kalt, heiß oder wohltemperiert, ob als Eis oder als Dampf – Wasser übt auf jeden Menschen wortwörtlich einen starken Reiz aus. Sobald Wasser, in welcher Form auch immer, die Haut berührt, kommt ordentlich Bewegung in den gesamten Organismus. Doch warum ist das so?

Heilen mit Wasser: Die Wirkung von kaltem Wasser

Bild: CC0 / Seth Doyle / Unsplash

Der kalte Wickel stößt die Fähigkeit des Körpers an, seine Temperatur zu regulieren. Wenige Sekunden nach dem Kaltreiz verengen sich die Blutgefäße. Die Durchblutung nimmt ab, und die Haut wird blass, während gleichzeitig Blutdruck, Atemfrequenz und Muskelspannung steigen. Doch schon bald kommt es zu einer zweiten, gegenläufigen Reaktion: Gesteuert durch Nerven und Hormone wird die Haut stark durchblutet, der Blutdruck sinkt, die Muskeln entspannen sich. Zudem werden immunologische Reaktionen in der Haut und in den Drüsensystemen in Gang gesetzt. Ein angenehmes Wärmegefühl breitet sich aus.

Heilen mit Wasser: Die Wirkung von warmem Wasser

Bild: CC0 / Andrea Piacquadio / Pexels

Dampfbäder oder warme Bäder lassen den Körper hingegen ganz anders reagieren: Die Gefäße weiten sich, die Durchblutung steigt an, der Blutdruck sinkt und die Muskeln entspannen sich sofort. Und weil das Nervensystem runterfährt, lassen auch Schmerzen augenblicklich nach. Solche Wärmereize helfen deshalb vor allem bei Rheuma und Stress sehr gut, da mit ihnen auch eine psychische Entspannung und Beruhigung einhergeht. Zudem wird der Stoffwechsel aktiviert, die Lungen und Nieren arbeiten besser.

Abwehrkräfte stärken mit Wasseranwendungen

Ein Kältereiz stärkt die körpereigene Abwehr weitaus mehr als ein Wärmereiz. Der Grund: Auf der knapp zwei Quadratmeter großen Hautfläche befinden sich zehnmal mehr Rezeptoren für Kälte als für Wärme. Über viele Jahrhunderte galt deshalb vor allem kaltes Wasser als ideales Mittel, um Menschen vor schweren Infekten zu schützen. Seine positiven Gesundheitseffekte beobachteten Heilkundige schon sehr früh. So wendete der römische Arzt Antonius Musa 23 v. Chr. kalte Bäder an, um den ewig kränkelnden Kaiser Augustus zu heilen. Er gilt als der eigentliche Begründer der Wasserheilkunde.

Heute ist die sogenannte Hydrotherapie – benannt nach dem altgriechischen Wort hydro für Wasser – ein komplexes Naturheilverfahren, dem für die verschiedensten Beschwerden ein breites Spektrum therapeutischer Mittel zur Verfügung steht. Neben Wickeln, Kompressen und Packungen zählen Waschungen, Güsse sowie Teil-, Voll- oder Dampfbäder dazu. Ob Stoffwechselstörungen wie Diabetes, Gicht oder starkes Übergewicht, Rheuma oder Rückenschmerzen, Atemwegserkrankungen oder Magen-Darm-Beschwerden – mit Wasseranwendungen lässt sich eine Vielzahl gesundheitlicher Probleme lindern oder sogar ganz heilen. Allerdings braucht es dafür etwas Geduld. Damit die Behandlungen wirken, müssen sie regelmäßig etwa ein- bis zweimal täglich und mindestens vier Wochen lang durchgeführt werden.

Wie Sie sich selbst oder anderen mit ätherischen Ölen und Temperaturreizen etwas Gutes tun können, lesen Sie in unserem Beitrag "Aromapflege zuhause: Wickel, Auflagen und Aromabäder".

Ursprung der Hydrotherapie: Heilen mit Wasser im Laufe der Geschichte

In der frühen Neuzeit mit ihrer allgemeinen Wasserscheu war die Wasserheilkunde in Vergessenheit geraten. Aber Ende des 17. Jahrhunderts griff der Arzt Siegmund Hahn (1664–1742) die alten Heilkonzepte wieder auf und verknüpfte sie mit seinen eigenen praktischen Erfahrungen. Sein Sohn Johann Siegmund Hahn (1696–1773) publizierte 1738 die erste deutsche Anleitung für Ärzte zur Hydrotherapie („Von Krafft und Würckung des frischen Wassers in die Leiber der Menschen“). Doch die beiden „Wasserhähne“ fanden zunächst wenig Beachtung. Erst der Bauer und selbsternannte Heiler Vinzenz Prießnitz (1799–1851) machte die Wasserheilkunde in Deutschland weithin bekannt. In seinem Wassertherapiezentrum soll er 30.000 Kranke, darunter viele Syphilis- und Tuberkulose-Patienten, geheilt haben. Allerdings gelang ihm dies mit recht drastischen Maßnahmen; Er ließ aus sechs Metern Höhe eiskaltes Gebirgswasser auf seine Patienten herabschütten, oder sie mussten fünf bis zehn Minuten in einer großen Wanne mit fließendem kalten Wasser sitzen.

Während Prießnitz die Medizin von seinen Methoden kaum überzeugen konnte, behielt die Bevölkerung seine Heilungserfolge durchaus positiv in Erinnerung. Deshalb fand die Wasserkur, die der Arzt und Pfarrer Sebastian Kneipp (1821–1897) im 19. Jahrhundert entwickelte, bei vielen Menschen schnell großen Anklang, zumal er selbst der leibhaftige Beleg war, dass man mit Wasser erfolgreich heilen konnte. Als junger Theologiestudent hatte er jeden Tag ein Bad in der kalten Donau genommen, um seine Tuberkulose-Erkrankung zu kurieren. Zwar war auch für Kneipp die Reiztherapie mit kaltem Wasser das effektivste Mittel, um Infektionen zu lindern und die Selbstheilungskräfte zu aktivieren, aber seine Anwendungen waren weniger radikal und heftig als die von Prießnitz. Schließlich wollte Kneipp die schwächlichen Städter nicht vertreiben. „So mild wie möglich – so stark wie nötig“ hieß deshalb seine Devise.

Den vollständigen Beitrag finden Sie in Ausgabe 5/2021

 

Titelbild: CC0 / Laura Chouette / Unsplash