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Krebstherapie: Misteln für mehr Lebensqualität

Die Diagnose Krebs ist ein Schock, bedeutet sie doch, dass nun ein harter und langer Behandlungsweg bevorsteht. Betroffenen die Situation zu erleichtern, ist das Ziel der Schweizer Firma Iscador AG im idyllischen Arlesheim. Dort werden Mistelpräparate für eine ganzheitliche Therapie hergestellt.

Hoch oben in der Krone einer mächtigen Eiche erntet ein Baumkletterer Misteln. Sorgfältig schneidet er Stiele samt Blättern aus den kugelig wachsenden Mistelbüschen und verstaut sie in einem Sack. Nichts soll die wertvollen Pflanzenteile auf dem Weg in die Produktionsstätten der schweizerischen Iscador AG verunreinigen. Aus ihnen entsteht schließlich etwas ganz Besonderes: ein Arzneimittel für die ganzheitliche Krebstherapie. Diese stellt den Menschen ins Zentrum, sieht und behandelt ihn als Ganzes und nicht allein die Symptome oder den Tumor selbst. Sie gibt den Erkrankten die Möglichkeit, ­etwas für sich selbst zu tun und aktiv an der Therapie teilzunehmen: durch Bewegung, Ernährung und Entspannung oder eben durch die Mistel. Der ­behandelnde Arzt wählt je nach Tumorart und Konstitutionstyp des Patienten das passende Mistelpräparat aus, das sich der Krebspatient nach einer ärztlichen Beratung zwei- bis dreimal die Woche subkutan (unter die Haut) injiziert.

Der Blick auf den gesamten Menschen

Mistelpräparate kommen begleitend zur klassischen medizinischen Behandlung zum Einsatz. Sie können Chemotherapie, Bestrahlung und Operation ergänzen, die doch sehr eingreifenden Behandlungen wirkungsvoller und zugleich verträglicher machen und so die Lebensqualität verbessern. Schlafstörungen, Müdigkeit, Kältegefühl, Appetitmangel, Bewegungsschwäche und Schmerzen können gelindert werden. Zudem wird das Allgemeinbefinden gestärkt, und in vielen Betroffenen erwacht neuer Lebensmut.

All dies ist durch zahlreiche Studien wissenschaftlich belegt. Inzwischen wurde die Misteltherapie auch in die offizielle S3-Leitlinie „Komplementär­medizin in der Behandlung von onkologischen
Pa­tientInnen“ von namhaften deutschen Fachgesellschaften aufgenommen.

Seit mehr als 100 Jahren bewährt

Begründet wurde die Misteltherapie von der niederländischen Ärztin Dr. Ita Wegman (1876–1943). Sie war als Frau ihrer Zeit weit voraus: Bereits 1917 suchte die Frauenärztin nach neuen Behandlungsmöglichkeiten für ihre Krebspatientinnen. Ihr Zeitgenosse und Wegbegleiter Rudolf Steiner (1861–1925) machte sie auf die ungewöhnlichen Eigenschaften einer ganz speziellen Pflanze aufmerksam: Die weißbeerige Mistel (Viscum album L.) gedeiht als Halbparasit auf Bäumen und zapft die Lebensadern ihres Wirtsbaums an, um Wasser und Nährstoffe zu empfangen. Sie wächst unabhängig von Licht und Schwerkraft in alle Himmelsrichtungen zu einem kugeligen Busch, blüht mitten im Winter und bildet in der kalten Jahreszeit auch ihre weißen Früchte aus. Nach der Signaturenlehre weist dieses Wachstumsverhalten gegen die bekannten Gesetzmäßigkeiten der Natur Parallelen zum Tumorwachstum bei Krebspatienten auf, denn auch Krebs­geschwülste entstehen und wachsen gegen die natürliche Ordnung. Sie wuchern unkontrolliert im Organismus und ernähren sich von dem Körper, in dem sie sich gebildet haben. Ita Wegmans Interesse war geweckt: Sie griff Steiners Impuls auf und entwickelte 1917 gemeinsam mit dem Apotheker Adolf Hauser das erste Mistelpräparat „Iscar“. Seitdem wuchs das Wissen um die Wirkung und Herstellung von Mistelarzneien stetig. Inzwischen ist das aus
Iscar weiterentwickelte Iscador das älteste und am besten untersuchte Mistelpräparat überhaupt.

Zwei Ernten, fünf Wirtsbäume und viele helfende Hände

Krebstherapie mit Misteln
Foto: Jürg Buess / Iscador AG

Die Mistel gilt als giftig, denn um sich vor Fressfeinden zu schützen, bildet sie Eiweißsubstanzen: die Mistellektine und die Viscotoxine. Ihre Zusammensetzung in der Pflanze und damit in den daraus hergestellten Mistelextrakten variiert je nach Jahreszeit. Im Winter geerntete Misteln enthalten in den älteren Stängeln aus dem Zentrum des Buschs besonders viele Lektine, Sommermisteln in den jungen äußeren Blättern reichlich Viscotoxine. Mistellektine hemmen im Experiment das Wachstum von Krebszellen und lassen sie absterben. Gleichzeitig aktivieren sie die Zellen des Immunsystems und steigern damit die Abwehrkräfte. Viscotoxine wiederum wirken ähnlich wie Schlangengift. Sie zerstören die Wände der Krebszellen und lösen sie auf; zudem aktivieren auch sie das Immunsystem.
Die akrobatischen Höchstleistungen der Kletterer in den Baumwipfeln sind also nicht nur im Sommer, sondern auch in der eisigen Winterkälte zu beobachten. Die Misteln für Iscador werden in der Schweiz, in Deutschland und in Frankreich geerntet und direkt nach Arlesheim gebracht. Doch nicht nur der Erntezeitpunkt prägt die Inhaltsstoffe jeder Mistelpflanze. Sie unterscheiden sich auch je nach Wirtsbaum, auf dem die Pflanze gewachsen ist. Für die Iscador-Präparate werden Misteln von Apfelbäumen, Eichen, Kiefern, Tannen und Ulmen verarbeitet, wobei die Eiche und die Ulme zu den Spezialitäten des Unternehmens gehören. Allerdings tragen nicht alle Eichen gern Misteln, weshalb Eichelmisteln recht selten zu finden sind, und die empfindlichen Ulmen kämpfen mit äußeren Einflüssen wie dem Klimawandel, die sie anfällig für Krankheiten machen. Mit viel Erfahrung und Fingerspitzengefühl begegnen die mit der Baumpflege betrauten Mitarbeitenden bei Iscador diesen Herausforderungen. Auf diese Weise wird sichergestellt, dass die Kräfte der Bäume auch weiterhin auf die Misteln und somit auf die daraus hergestellten Extrakte übergehen können.  
In der Erntezeit packen trotz klammen Händen im Winter und brütender Hitze im Sommer alle mit an, denn vieles im Produktionsprozess der Mistelpräparate ist von jeher pure Handarbeit: Nach dem Pflücken werden die Pflanzenteile sortiert, bevor sie zerkleinert und zu wässrigen Extrakten weiterverarbeitet werden. Auf einer eigens dafür konstruierten
Maschine werden der Sommer- und der Wintersaft schließlich zu einem Gesamtextrakt miteinander vermengt. Das ist für alle Beteiligten jedes Jahr ein spezieller Augenblick, der alle Mühen vergessen lässt. Und nicht nur Ita Wegmans Forschergeist wird spürbar, sondern auch ein Gefühl der Zufriedenheit, wieder vielen Krebspatienten mit der Kraft der Mistel Unterstützung bieten zu können. Heute sind anthroposophische Mistelpräparate die am häufigsten verordneten Arzneimittel in der komplementären beziehungsweise integrativen Krebstherapie. Sie stärken die Betroffenen dort, wo sie Stärkung brauchen, und unterstützen sie auf ihrem Weg durch die Krebserkrankung.
Mehr Informationen zur Firma Iscador und zur Misteltherapie finden Sie unter www.iscador.de

Medizinische Beratung für Patienten und Ärzte

Die Misteltherapie gehört wie die gesamte Krebsbehandlung in fachkundige Hände. Kliniken und Praxen mit Angeboten im Bereich der integrativen beziehungsweise komplementären und anthroposophischen Medizin finden Patienten auf der Internetseite www.iscador.de/arztsuche. Auch Informationen zur ganzheitlichen Krebsbehandlung können hier direkt heruntergeladen oder bestellt werden.
Medizinische Fachpersonen können sich zudem an die kostenlose Infoline für medizinische Beratung wenden.

Wann zahlt die Krankenkasse?

Im palliativen Stadium, das heißt, wenn es keine endgültige Tumorfreiheit mehr geben wird, weil beispielsweise Metastasen vorliegen, werden die Kosten der Misteltherapie von den Krankenkassen übernommen. Auch bei starken Nebenwirkungen der konventionellen Therapie ist das oft der Fall.
Wichtig: Erkundigen Sie sich unbedingt vor Beginn der Therapie bei Ihrer Krankenkasse. Iscador unterstützt die behandelnden Ärzte bei Fragen zur Kostenerstattung durch die Krankenkasse.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag auch in Ausgabe 5/2022 von natürlich gesund und munter.

Text: Georgia van Uffelen

Foto: manfredrichter/ pixabay