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Rheuma, die rätselhafte Erkrankung

Allein der Name dieser Krankheit lässt aufhorchen, und nicht zu Unrecht: Rheuma. Die Beschwerden sind häufig sehr schmerzhaft, und sie kommen scheinbar aus dem Nichts. Die Diagnostik ist schwierig, denn die Ursachen geben bis heute Rätsel auf. Vor allem ist die Behandlung langwierig. Aber mit multimodalen Therapien verzeichnet eine ganzheitlich orientierte Medizin ermutigende Erfolge. Umso wichtiger ist es, die Krankheit rechtzeitig zu erkennen und zu behandeln.

Krankheit mit vielen Gesichtern

Die Beschwerden kommen scheinbar aus dem Nichts: Plötzlich schmerzt der Fuß beim Laufen, das Knie ist heiß und geschwollen, das Kreuz tut nachts auf einmal fürchterlich weh. All das kann die unterschiedlichsten Ursachen haben: Überforderung beim Sport, Arthrose, muskuläre Verspannungen. Aber es kann eben auch Rheuma sein. Professor Dr. Gernot Keyßer, Leiter des Arbeitsbereichs Rheumatologie an der Uniklinik Halle, schätzt, dass es bis zu 250 verschiedene entzündliche rheumatische Erkrankungen gibt (die wichtigsten finden Sie in der Übersicht rechts). Die entzündlichen Prozesse können Wirbelsäule und Gelenke befallen, sowohl Bindegewebe und Gefäße als auch Organe und Schleimhäute schädigen und sogar Sehnen reißen lassen.

Wenn das Immunsystem verrückt spielt

Wo auch immer die Entzündungsprozesse wüten, der Mechanismus ist stets derselbe: Ein fehlgeleitetes Immunsystem sieht körpereigene Strukturen plötzlich als fremd an und beginnt, diese massiv zu bekämpfen. Die fehlgesteuerten Immunzellen produzieren Botenstoffe wie Interleukine, die entzündliche Prozesse auslösen. Bei einer rheumatoiden Arthritis, der häufigsten Rheumaerkrankung, wehren sich beispielsweise B- und T-Zellen gegen Zellen der Gelenkinnenhaut, die dadurch mehr Gelenkflüssigkeit produziert. Da sie voller Entzündungsstoffe steckt, regt sie das Wachstum der Gelenk­innenhaut an, was weitere Entzündungsreaktionen hervorruft und den Knorpel angreift. Ein Entzündungskreislauf entsteht. Zudem werden knochenabbauende Zellen, die Osteoklasten, aktiviert, die den Knochen schädigen. Beim Morbus Bechterew, der zweithäufigsten rheumatischen Erkrankung, befallen diese Osteoplasten vor allem das Kreuzdarmbeingelenk und die Wirbelsäule. Beim Systemischen Lupus Erythematodes (SLE) schädigen fehlgesteuerte Antikörper innere Organe, Nerven oder Blutgefäße, während beim Sjögren-Syndrom die Immunzellen unter anderem die Tränen- und Speicheldrüsen angreifen. Zu allem Überfluss ist es möglich, an zwei Rheumaformen zugleich zu erkranken. So entwickeln manche Patienten mit rheumatoider Arthritis zusätzlich das Sjögren-Syndrom. Da die Entzündungen den ganzen Körper belasten, verschlechtert sich der allgemeine Gesundheitszustand. Erschöpfung, Müdigkeit, Fieber und Nachtschweiß sind dann die Folge.

Die wichtigsten entzündlichen rheumatischen Erkrankungen

  • Rheumatoide Arthritis:
    meist beidseitige schmerzhafte Entzündung der Gelenke. Finger,
    Zehen und andere Gelenke können sich verformen oder versteifen.

  • Psoriasis-Arthritis:
    Gelenkentzündungen bei Patienten mit Schuppenflechte, vor allem an Fingern und Zehen.

  • Reaktive Arthritis:
    durch bakterielle und virale Infektionen ausgelöste chronische,
    meist nur einseitige Entzündung großer Gelenke wie Hüfte und Knie.

  • Morbus Bechterew:
    entzündliche Prozesse vor allem am Kreuzdarmbeingelenk und
    an der Wirbelsäule, die zur Versteifung und Krümmung der Wirbelsäule führen.

  • Sjögren-Syndrom:
    Augen-, Mund- und Scheidentrockenheit aufgrund einer Störung der Flüssigkeitsproduktion.

  • Systemischer Lupus Erythematodes:
    entzündliche Erkrankung des Bindegewebes.

  • Systemische Sklerose:
    Verhärtung des Bindegewebes der Haut und der Gefäße aufgrund chronischer Entzündungsprozesse.

  • Riesenzellarteriitis:
    chronische Entzündung der Arterien in Kopf, Nacken und Oberkörper. Erblindungs-Gefahr!

  • Polymyalgia rheumatica:
    sehr schmerzhafte Entzündung der Muskeln, vor allem in Schultern, Nacken, Gesäß, Beckenmuskulatur sowie an Oberschenkeln und Oberarmen.

Was sind die Auslöser?

Bis heute hat die Wissenschaft das Rätsel, warum das Immunsystem überhaupt aus dem Ruder läuft, nicht lösen können. „Die Entstehung der Erkrankung, die Pathogenese, ist immer noch unklar“, sagt Professor Georg Schett, Leiter der Klinik für Rheumatologie und Immunologie am Universitätsklinikum Erlangen. Forscher vermuten, dass entzündliches Rheuma meist durch mehrere Faktoren ausgelöst wird, die zusammenkommen. „Einzeln würden sie keine Rolle spielen, erst in der Kombination werden sie gefährlich“, erklären Dr. Keihan Ahmadi-Simab und Dr. Jörn Klasen in ihrem Buch „Gemeinsam gegen Rheuma“ (ZS Verlag). So werde etwa der Systemische Lupus Erythematodes, auch Wolfskrankheit genannt, vermutlich durch das Zusammenwirken von hormonellen Veränderungen, zu viel Sonnenlicht und anderen Umwelteinflüssen sowie Stress und Infektionen ausgelöst. Die Faktoren, die bei der Entstehung von Rheuma eine Rolle spielen können, sind vielfältig:

  • Infekte: Ärzte beobachten immer wieder, dass es bei einer Infektion mit Darmerregern parallel oder danach zu einer Gelenkentzündung kommt. Umgekehrt leiden Patienten mit chronisch entzündlichen Darmerkrankungen wie Morbus Crohn und Colitis ulcerosa nicht selten unter Gelenkbeschwerden. Warum das so ist, konnten Erlanger Forscher nun erstmals belegen: Rheumapatienten haben häufig eine Barrierestörung im Darm. Ihre Darmzellen bilden vermehrt Zonulin, ein Eiweiß, das die Verbindungen zwischen den Schleimhautzellen, die sogenannten Tight Junctions, lösen kann. Sind diese Schleusen geöffnet, können Immunzellen aus dem Darm in das Gelenk einwandern und so eine rheumatische Entzündung fördern. Auch nach viralen und bakteriellen Infekten oder Infektionen der Geschlechtsorgane mit Chlamydien können solche reaktiven Arthritiden auftreten.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in Ausgabe 6/2022 von natürlich gesund und munter.

Foto: Julia-Kopacheva, Weerachai-Khamfu/beide shutterstock.com