string(55) "assets/images/4/MM_pexels-ron-lach-8263058-98e315f0.jpg"

Schlaf & Psyche

Unsere Nachtruhe – allzu oft fällt sie weniger erholsam aus, als wir es uns wünschen. Wir schlafen schlecht, zu kurz oder nicht tief genug. Das beeinträchtigt Wohlbefinden und Leistungsfähigkeit, wie viele Studien in den letzten Jahren gezeigt haben. Aktuelle Forschung hat jetzt entschlüsselt, wie das Gehirn und die Psyche mit allen Zellen des Organismus zusammenwirken, damit wir gut ein- und durchschlafen. 
Ergebnis: Es gibt viele Wege in den gelingenden Schlaf, aber sie alle beginnen nicht erst mit dem Zubettgehen.

Im Schlaf ist das Gehirn besonders aktiv

Unser Kopf ist nachts kaum weniger aktiv als tagsüber – jedoch ganz anders. Das Gehirn durchläuft dann biologisch und psychologisch teils sogar gegenläufige Phasen. Unser Schlaf ist ein geniales Bio-Programm für Verjüngung, Selbstheilung und sogar für seelisches und geistiges Wachstum. Gelungener Schlaf ist unersetzlich, um die Erfahrungen des Tages stimmig in unsere eigene Geschichte zu weben, wie auch um auf Reize aus unserer Umwelt nicht schematisch, sondern zunehmend klüger zu reagieren. Ausgeschlafen sind wir eine bessere Version von uns selbst, biologisch, seelisch und sogar intellektuell. Schlafend überführen wir nicht einfach nur Ereignisse des Tages ins Langzeitgedächtnis, wir integrieren sie vielmehr in unser Selbst. Auf lange Sicht entscheidet das Gelingen der nächtlichen Metamorphose darüber, wie wir sind, ja sogar, wer wir sind.

Trotzdem geben wir auf unseren Schlaf zu wenig Acht. Alles andere scheint wichtiger. Müdigkeit und mangelndes Erholungsgefühl versuchen wir mit Kaffee auszutricksen. Anderthalb Stunden kürzer ist heute unser Schlaf als noch vor einhundert Jahren. Viele Berufstätige häufen über die Arbeitswoche ein Schlafdefizit an, das sie am Wochenende ausgleichen wollen. Das kann nicht gelingen, wie Studien gezeigt haben: Die normale Schlafenszeit um nur 16 Minuten zu verkürzen, führte bei den Teilnehmenden einer Forschungsarbeit dazu, dass ihnen am nächsten Arbeitstag leichter Fehler und Fehlentscheidungen unterliefen.

Was bedeuten dann mehrere Stunden Minus Nacht für Nacht? In einer Studie mit jungen Männern entwickelten diese schon nach fünf Nächten, in denen sie nur vier Stunden schlafen durften, einen Prädiabetes, einen entgleisten Blutzucker, dem sonst Jahrzehnte ungesunder Ernährung und mangelnder Bewegung vorangehen. Der Verlust von einer Stunde Schlaf zu Beginn der Sommerzeit lässt kurzfristig die Zahl der Herzinfarkte deutlich steigen. Das Schlafdefizit hat sogar Folgen für das gesellschaftliche Miteinander. Wer müde ist, ist reizbar und hat nachweislich Schwierigkeiten, Empathie für andere aufzubringen. Zudem verengt sich das Denken, die Offenheit für neue Problemlösungen schwindet.

Neue Studie: „Tumult-Zellen“ sind Schlafräuber

Forscher haben eine Zellgruppe im Gehirn dingfest gemacht, die gerade ältere Menschen wacher hält, öfter aufwachen lässt und den begehrten Tiefschlaf in unerreichbarer Ferne hält. Es ist das winzigkleine Zellbündel im Gehirn, das für die Bildung des 1998 entdeckten Hormons Orexin zuständig ist.

Dieses Nervenbündel ist der Knotenpunkt zwischen dem vom Lauf der Sonne getakteten Tagesrhythmus und dem aktuellen Ernährungsstand. Stimmt die Nahrungsaufnahme nicht, funken diese Zellen mit Orexin zu Recht Unruhe ins Gehirn. Es macht uns hellwach und schickt uns auf Nahrungssuche. Daher ist zuweilen eine gesunde Mahlzeit mit etwas Abstand zum Zubettgehen sinnvoll.

Falls das nicht ausreicht, tut es auch ein nächtliches Butterbrot. Die Kohlenhydrate senken die Orexinbildung, das Butterfett wirkt beruhigend auf die Nerven – eine echte Schlaf-gut-Mahlzeit.

Tiefer Schlaf: Ein biologisches Privileg des Menschen

Alle Tiere schlafen, zumindest ein bisschen. Selbst einfache Würmer leisten sich bescheidenen Schlummer. Doch einen langen, phasenweise tiefen und festen Schlaf, ein stundenlanges Wegsinken, das Heraustreten aus der wirklichen Welt, wie es der Mensch für sein ungewöhnlich großes und intelligentes Gehirn benötigt, nimmt eine Sonderstellung im Tierreich ein. Selbst die intelligenten Delfine gönnen sich nur einen „einseitigen“ Schlaf mit jeweils einer Gehirnhälfte zur Zeit, denn wer tief schläft, wird leichte Beute. Und so ist es biologisch in uns eingeschrieben, dass wir bei mangelndem Sicherheitsgefühl unruhiger schlafen und leichter aufwachen – schließlich war das während der menschlichen Evolution eine Frage des Überlebens.

Entsprechend normal ist, dass wir für das Nachtlager einen sicheren Ort wählen. Wir können ruhiger schlafen, wenn wir uns vor dem Zubettgehen vergewissern, dass die Zimmertür im Hotel auch wirklich verschlossen ist, der Herd in der Küche auch wirklich aus ist. Auch wenn Kinder noch einmal abends unters Bett schauen, bevor sie sich hineinlegen, kommt dieser fürs Überleben so starke Urinstinkt noch einmal zum Vorschein.

Besonders riskant sind die Tiefschlafphasen, in denen uns selbst Geschehnisse um uns herum kaum aufwecken können. Wir müssen uns sehr sicher fühlen, um voll in den Tiefschlaf hineinzutauchen. Das ist jedoch die Voraussetzung, am nächsten Morgen erholt aufzuwachen. Denn im Gleichklang mit den Tiefschlafphasen wird das Wachstumshormon ausgeschüttet, das die Neubildung von Proteinen hochschnellen lässt. In der geschützten Ruhezone können also ungestört geschädigte Strukturen repariert und neue gebildet werden. Eine florierende Proteinbiosynthese ist die regenerative Superpower des Organismus mit großer Verjüngungskraft.

Lesen Sie den vollständigen Beitrag in Ausgabe 1/2023 von natürlich gesund und munter.

Foto: Ron Lach / Pexels.de